Josef Pröll, Finanzminister, Vizekanzler und ÖVP-Chef, über die Reparatur der Staatsfinanzen. Plus: ‚Reiner Tisch‘ nach dem Skandalsommer. NEWS Nr. 34/10 vom 26.08.2010
Dass Österreichs Bürger noch immer rätseln müssen, was an Belastungen zur Sanierung der Republik im Dezember auf sie zukommt, passiere nicht aus Jux und Tollerei. Sondern deswegen, weil dies „ein Megaprojekt“ sei, wie es das Land seit 1945 nicht gesehen habe. „Qualität vor Tempo“ sei seine Devise, sagt Finanzminister Josef Pröll im Gespräch mit NEWS:
News: Nach dem Sommer der Affären – mit welchem Gefühl starten Sie in den Herbst?
Pröll: Klar ist, dass diese Themen für die politische Landschaft, was den Korruptionsverdacht betrifft, keine erfreulichen sind. Ich komme entspannt, aber mit einer klaren Zielsetzung aus dem Urlaub zurück: aufzuräumen mit den Missständen, die da sind.
News: Grünen-Chefin Eva Glawischnig meint, Österreich habe ein schmutziges Jahrzehnt hinter sich. Gemeint ist angesichts der Fälle Haider & Grasser die schwarz-blaue Ära.
Pröll: Klar ist: Wenn es wo Missstände gab, ist unabhängig von Person oder Partei oder Regierungskonstellationen aufzuräumen! Das ist zunächst juristisch und dann allenfalls politisch zu klären. Ich bin froh, dass die Justiz ermittelt. Volles Tempo! Es gilt, reinen Tisch zu machen! Das gilt für die Hypo Kärnten, ebenso für die Kommunalkredit, für alles …
News: Wie sehr, meinen Sie, hat die Politik generell durch diese Vorfälle gelitten?
Pröll: Es gibt ein Minus vor der Politik, das eingebucht ist. Ich verstehe den Unmut in der Bevölkerung und teile ihn durchaus. Gerade aus diesen Gründen, um aus dem Minus wieder ein Plus vor der Politik zu machen, ist reiner Tisch zu machen.
News: Die Stimmung aber macht es doch sehr viel schwieriger, dem Volk eine Budgetsanierung zu erklären, bei diesem Selbstbedienungsladen, wo sich manche ihre Taschen vollgestopft haben …
Pröll: Man hört viel, es wird viel geredet. Ich warte auf die Beweise. Ja, es gibt ein Minus bei der Politik aufgrund der schwerwiegenden Vorwürfe. Sachlich stelle ich dem das qualitätsvolle Megaprojekt der Republik-Sanierung und des Staatshaushaltes entgegen. Ich will das für Österreich lösen. Dabei: Man soll die Stimmung nicht schlechterreden, als sie ist! Wir sind besser als andere durch die Krise gekommen, wir haben eine Kaufkraft und einen privaten Konsum, der sich sehen lassen kann. Wir sind on top in Europa, was Exportzuwächse betrifft.
News: So wollen Sie im Dezember der Bevölkerung ein milliardenschweres Belastungspaket „verkaufen?“
Pröll: Die Leute spüren ganz genau, was angerichtet wurde beim Image, aber auch, was wirtschaftlich notwendig ist. Es geht um die Sanierung, um die Reparatur der Republik. Wir müssen Defizite und Schulden abbauen. Griechenland ist ein mahnendes Beispiel! Die Bürger haben dafür ein genaues Sensorium. Deswegen bin ich total optimistisch. Aber notwendig ist es natürlich, die Dinge zu erklären. Dass das Sanierungspaket ausgewogen ist. Alle werden es zu tragen haben, dafür wird Verständnis da sein.
News: Dabei gehen Sie sogar das Risiko ein, die Verfassung zu strapazieren, sprich: zu späte Budgetrede?
Pröll: Selbst Bundespräsident Heinz Fischer sagt, dass es sich da um keinen Verfassungsbruch handelt. Zweitens: Ich habe das Parlament vor dem Sommer informiert, dass wir das Mega-Dreieck „Budget 2011“, „Bundesfinanzrahmen 2014 inklusive des größten spar- und einnahmenseitigen Pakets, das die Republik je gesehen hat“ sowie „Verwaltungsreform plus neues Länder-Stabilitätsprogramm“, dass wir dieses Megaprojekt innerhalb der Frist nicht schaffen können. Ich habe nicht bis nach den Wahlen gewartet, um zu sagen, ich kann’s net, sondern ich habe es frühzeitig gemeinsam mit dem Kanzler mitgeteilt. Wissend, dass dies schwierige Debatten bringt. Für mich geht Qualität vor Tempo! Natürlich nimmt die Opposition das zum Anlass für eine Sondersitzung, auch im Zeichen der bevorstehenden Landtagswahlen. Ich verstehe das. Nur: Ich will nicht hudeln, dieses komplexe Megaprojekt ist nicht besser auflösbar. So ehrlich bin ich, ja, da gehört Mut dazu. Denn wir stehen in der schwierigsten Situation seit 1945, kein Pappenstiel, wir reden von einer Krise in einer Dimension wie seit 1930 nicht.
News: Die Budgetsanierung wird bis 2013 rund sieben bis elf Milliarden Euro an Einsparungen abverlangen. Wie soll das funktionieren?
Pröll: Um die Gemüter zu beruhigen: Wir liegen derzeit bei 4,7 Prozent Defizit, das ist positive Spitze in der EU, andere haben neun, zwölf und mehr Prozent. Wir werden es schaffen, bis 2013 auf unter drei Prozent zu kommen. Pro Jahr eine Reduktion von 0,75 bis ein Prozent. Das ist möglich! Es werden etwa sieben Milliarden Euro zu realisieren sein.
News: Die SPÖ suggeriert: „Eat the rich!“ Sie sagen, eine Reichensteuer brächte nichts …
Pröll: „Nichts“ habe ich nicht gesagt. Aber es glaubt ja keiner, dass man mit so einer Botschaft allein den Staatshaushalt sanieren könnte. Meine Botschaft ist: Runter vom durchaus attraktiven Populismus-Pferd, zurück zur Ehrlichkeit! Ich will einmal das Sparpaket der einzelnen Ministerien im Detail sehen, dann werden wir die anderen Dinge prüfen. Wer nur die Steuern erhöht, kommt trotzdem nicht daran vorbei, dass uns die Kosten aus dem Ruder laufen. Wenn wir sie nicht deckeln, werden wir jedes zweite Jahr neue Steuern erfinden müssen. Aber sicher darf bei der Staatssanierung niemand ausgenommen werden, denn am Schluss muss dabei der Konsens für Österreich stehen!
News: Haben Sie 100-prozentiges Vertrauen in Kanzler Werner Faymann, dass Ihr Vorhaben von der SPÖ nach all den klassenkämpferischen Tönen zuletzt mitgetragen wird?
Pröll: Ich habe Vertrauen, dass wir das, was wir uns in die Hand versprochen haben, nämlich gemeinsam zu arbeiten, fünf Jahre hält. Dieses Herzstück steht vor uns. Ich will, dass das Herz Österreichs und das der Koalition nach diesem Megaprojekt kräftig schlägt.
News: Es wird keinen Bypass brauchen?
Pröll: Das wäre ewig schade, Derartiges würde das gemeinsame Projekt gefährden.