Analyse: Eine Handvoll Zocker-Fonds wettet auf den Bankrott Griechenlands und hält ganz Europa in Atem. Dass sie das dürfen, liegt an politischem Versagen.
Erschienen in NEWS 15.1.2012.
Die Verhandlungen über den Schuldenschnitt für Griechenland haben ein Gespenst wiederauferstehen lassen, von dem man in letzter Zeit wenig gehört hat: Die Hedgefonds sind zurück – und sie halten die gesamte Eurozone am Gängelband. Am Freitag scheiterten die Gespräche des Privatsektors mit der griechischen Regierung unerwartet. Der angestrebte Deal: Die privaten Gläubiger, denen Griechenland in Summe 200 Milliarden Euro schuldet, verzichten auf 50 % des Geldes, dafür geht Griechenland vorerst nicht pleite. Das ist für den Rest der Eurozone überlebenswichtig: Denn allein Italien braucht bis April 150 Milliarden Euro vom Finanzmarkt. Der Bankrott eines Euro staates würde das Vertrauen zerstören – und entweder Italien gleich mit in den Bankrott schicken oder zumindest die Zinsen enorm verteuern. Die Folgen wären auch für Österreich dramatisch.
Staatsbankrott als Bonanza.
Doch in die weit fortgeschrittenen Verhandlungen platzte eine Hiobsbotschaft: Die Hedgefonds weigerten sich, beim freiwilligen Schuldenverzicht mitzumachen. Die offizielle Begründung: Die angebotenen Zinsen seien zu niedrig. Doch für eine ganze Reihe von Hedgefonds ist es überhaupt lukrativer, wenn Griechenland zahlungsunfähig wird. Ein Staatsbankrott wäre für sie ein Bonanza.
Das liegt an fiesen, relativ neuen Finanzpapieren namens CDS (Credit Default Swap). Der Grundgedanke: Mit einem CDS kann sich ein Gläubiger gegen einen Kreditausfall versichern. Zahlreiche Banken, die griechische Anleihen gekauft haben, haben solche Versicherungen abgeschlossen: Geht Griechenland bankrott, bekommen sie die Versicherungssumme ausgezahlt. So weit, so logisch.
Feuerversicherung aufs Haus des Nachbarn.
Doch es gibt einen Haken: Man kann CDS auch auf Anleihen abschließen, die man gar nicht besitzt. Diese Papiere heißen dann „ungedeckte CDS“, und sie sind eine Wette auf den Untergang. Sie werden außerbörslich gehandelt und müssen nirgends registriert werden. Niemand weiß genau, wer sie hält und auf wessen Pleite sie wetten. Ihr Volumen ist so hoch, dass sie niemals bedient werden können – und eine größere Pleite eine Finanzkrise auslösen kann. George Soros nennt sie daher „Massenvernichtungswaffen des Finanzmarktes“. Stephan Schulmeister vergleicht sie mit einer Feuerversicherung, anonym abgeschlossen auf ein Haus im Nachbardorf: Die Verlockung, es anzuzünden, ist groß.
Warum erlaubt es die Politik, auf einen Staatsbankrott zu wetten?
Und genau das haben einige der Hedgefonds offenbar im Sinn. Wer sie sind und wie viele CDS sie abgeschlossen haben, weiß niemand so genau: Selbst die Verhandler geben zu, dass sie bei einem Viertel der griechischen Staatsschulden nicht wissen, wer der Gläubiger ist. Sicher ist nur so viel: Stimmen nicht 90 Prozent der Gläubiger zu, freiwillig auf die Hälfte ihres Geldes zu verzichten, ist Griechenland bankrott. Eine verlockende Perspektive für jene, die daran verdienen können.
Politisches Versagen auf ganzer Linie.
Trotzdem klingen die Buhrufe gegen die anonymen Fonds nun hohl. Denn ihnen die Schuld zu geben greift zu kurz: Was hier offenbar wird, ist ein Versagen der europäischen Politik auf ganzer Linie. Denn: Warum ist es überhaupt erlaubt, Papiere auszugeben, mit denen man auf Staatspleiten wettet? Schon seit 2006, als das Volumen der CDS weltweit explodierte, wurden Regulierungen gefordert. Als ihr Volumen das der gesamten Weltwirtschaft überstieg, war klar, dass Feuer am Dach ist. Erst als die Lehman-Pleite 2008 wegen der quer über den Globus verteilten CDS eine weltweite Finanzkrise auslöste, schworen Kommission und Regierungschefs, zumindest die ungedeckten CDS zu verbieten. Geschehen ist allerdings nichts: Die Finanzlobby verhinderte die Regulierung, die nun erst 2013 in Kraft treten soll – für Griechenland zu spät. Das Bruttovolumen der CDS, die auf Griechenlands Schulden abgeschlossen sind, beträgt 75 Milliarden Dollar. Werden diese Papiere schlagend, lösen sie eine Kettenreaktion wie bei der Lehman-Pleite aus.
Deshalb trickst Europa jetzt: Wenn der Großteil der privaten Gläubiger – denen Griechenland in Summe 200 Milliarden Euro schuldet – „freiwillig“ auf einen Teil seines Geldes verzichtet, dann gilt das nicht als Ausfall. Und dann werden die Kreditausfallsversicherungen CDS auch nicht schlagend. Doch bei diesem Trick wollen die Hedgefonds offensichtlich nicht mitmachen – und halten nun die ganze Eurozone am Gängelband. Schwer fällt es ihnen nicht: Denn auch die Regulierung von Hedgefonds, die 2009 angekündigt wurde, hat bisher nicht stattgefunden. Wir sehen also nur die Rechnung für eine säumige, lobbygetriebene EU- Politik. Die Zeche zahlen allerdings wir alle.