Und: Feministin zu sein ist auch kein Fehler. Preisrede Wiener Journalistinnenpreis 2014
Frau Vizebürgermeisterin, Frau Stadträtin, Herr Klubobmann, Herr Staatssekretär, vor allem: Liebe Jury vom Frauennetzwerkmedien, liebe Freundinnen und Freunde – vielen, vielen Dank. Ich freue mich über diesen Preis ganz besonders – vielleicht gerade weil ich mich in dieser Branche nie als JournalistIN gesehen habe, also nicht vorrangig als Frau, und immer ein gewisses Unbehagen bei eigenen Kategorien für Frauen empfunden habe. Man startet ja als junge Frau ins Berufsleben ohne das Bewusstsein für die enormen Unterschiede, die zwischen Frauen und Männern nach wie vor gemacht werden. Ich sehe diese Unbefangenheit, diese positive Blindheit für die Geschlechtsunterschiede heute auch an jungen Frauen, und ich wünsche ihnen, dass sie sich das möglichst lange erhalten mögen – vielleicht so lange, bis es tatsächlich keine Unterschiede mehr gibt.
Davon sind wir allerdings noch weit entfernt. Ich zumindest musste das erst am Weg lernen: Dass Frauen in Machtzirkeln immer noch ein Fremdkörper sind. Ich habe in einem Wirtschaftsmagazin Format begonnen, zuständig für Wirtschaftspolitik – damals wie heute eine fast reine Männerdomäne. Als ich stv. Chefredakteurin bei News wurde, gab es nur eine weitere Chefredakteurin im politischen Bereich, und meistens war ich bei diesen Hintergrundrunden, in denen sich Politik, Wirtschaft und Medien ausmachen, wie die Wirklichkeit zu sehen und zu drehen ist, die einzige Frau und einzige Person unter 40. Ein Fremdkörper – was durchaus seine Vorteile hat.
Es gibt allerdings zwei Tabuthemen im Berufsleben von Journalistinnen hierzulande, über die man nicht spricht. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, sie zumindest anzusprechen. Das erste sind die andauernden kleinen sexistischen Herabwürdigungen, die man weglächelt und möglichst nicht thematisiert. Ich spreche gar nicht von handfesten Belästigungen, sondern von den Kleinigkeiten: Politiker, die sich am Tisch ausmachen, wer die Kellnerin bekommt. Abend-Firmen-Events, die im Bordell enden. Die „Herrenwitze“ in Redaktionskonferenzen. Sie sind eine ständige Erinnerung daran, wo die Herren den Platz der Frau eigentlich sehen würden. Ich hoffe, es kommt bald eine Zeit, in der junge Frauen es sich leisten können, empört aufzustehen statt gequält zu lächeln. So weit sind wir noch nicht.
Das zweite Tabuthema ist Familie. Während ich Väter erlebt habe, die mit stolzgeschwellter Brust einmal die Woche durch die Redaktion touren und allen erklären, dass sie heute Kinder-Dienst hätten, haben ich immer wieder Frauen gesehen, die lieber einen Arzttermin oder ein Informantengespräch vorgegeben haben, als zu sagen, dass sie ein krankes Kind vom Kindergarten abholen. Dass Kinder und Beruf vereinbar sind und die meisten von uns beides haben, ist in den Köpfen mancher Chefs noch nicht angelangt – und deshalb verschweigen viele ihre Vereinbarkeitsprobleme.Was ja nun wirklich absurd ist – was soll denn das für eine Welt sein, in der Kinder zum Sonderfall werden. Das kann doch niemand wollen.
Einiges hat sich in den letzten Jahren gebessert. Aber es ist immer noch ein Kampf, als Frau am Rande der Machtzirkel zu bestehen. Ich habe in den letzten zehn Jahren gelernt, wie unglaublich wertvoll dabei die Unterstützung von Kolleginnen ist. Viele Frauen in Führungspositionen sagen, dass Frauen ihnen eher Steine in den Weg gelegt hätten – und rein machttaktisch gesehen hätte das seine Logik in einer Welt, in der im Vorstand, am Podium, im Aufsichtsrat immer nur ein einziger Platz für Frauen da ist. Ich hatte das große Glück, dass ich immer Frauen im Team hatte, die mich beraten und gestärkt haben. An sie geht ein ganz großes Dankeschön.
Nun habe ich erst nach der Jahrtausendwende angefangen, in dieser Branche zu arbeiten – ich kann mir gar nicht vorstellen, wie das früher gewesen sein muss. Ich habe größten Respekt vor den Pionierinnen, die diesen Weg für uns geebnet haben. Anneliese Rohrer ist eine davon und war mir immer ein Vorbild– mit ihrer strengen Unabhängigkeit und dem Augenzwinkern dabei – und ich freue mich außerordentlich, dass sie heute die Laudatio gehalten hat. Vielen Dank dafür.
Ich bin heute in der glücklichen Lage, bei PULS 4 in einem sehr jungen Medienunternehmen zu arbeiten, in dem es keine alten Machtstrukturen und Old Boys Networks gibt, die man aufbrechen müsste. Das ist unfassbar angenehm und tatsächlich ein Grund, warum wir viel unabhängigeren, kritischeren, schnelleren Journalismus machen können. Beim Thema Familie sind wir wohl sogar Pioniere: Als ich Senderchef Markus Breitenecker letztes Jahr von meiner Schwangerschaft informiert habe, hat er mich nicht geistig aufs Abstellgleis gestellt, sondern im 5. Monat zur Info-Direktorin befördert. Als wir heuer als PULS 4 Talk-Redaktion die Romy für die beste Programm-Idee bekamen standen auf der Bühne im Team eine schwangere und zwei stillende Mütter.
Vor allem aber macht das Info-Team bei PULS 4 großartige Arbeit, und ich möchte den Preis mit den Redaktionen von Cafe PULS, den PULS 4 News und Pro und Contra teilen, die täglich fünf Stunden aktuelle Sendungen und eine Talkshow wöchentlich produzieren. Mir ist sehr bewusst, dass die Qualität meiner Arbeit nichts ist ohne die Qualität des Teams und deren unglaubliches Engagement. Vielen Dank dafür. Der Preis gebührt euch.
Damit zurück zum Preis: Ich freue mich also wirklich aus ganzem Herzen und danke der Jury und dem Frauennetzwerk Medien sehr für diese Ehre, ebenso der Stadt Wien, die damit auch zu größerer Sichtbarkeit von Journalistinnen beiträgt, die die Mehrheit in unserer Branche stellen, aber doch meist nicht in erster Reihe stehen. Ich bin überzeugt davon, dass es ein Vorteil für alle ist, wenn mehr Frauen in Führungspositionen im Journalismus tätig sind. Einerseits, weil sie weniger anfällig dafür sind, nur die Botschaften eines Machtklüngels weiterzutragen – eben weil sie darin noch Fremdkörper sind. Andererseits fehlt tatsächlich die Perspektive der Frauen, also der Hälfte der Bevölkerung, in einem großen Teil unserer Berichterstattung. Beispiel Steuerreform: Wir lesen und hören viel über die notwendige Steuersenkung – aber kaum etwas davon, dass diese nur Menschen hilft, die mehr als 11.000 Euro brutto verdienen. Das Medianeinkommen von Arbeiterinnen in Österreich liegt aber knapp über 10.000 Euro brutto im Jahr. Diese Frauen haben nichts von einer Steuersenkung, sie sind aber offenbar zu wenig politischer Faktor, um für Politik und auch Medien zu zählen. Beispiel Terrorgruppe IS: Eine Gruppe, deren gesellschaftspolitisches Hauptziel es ist, Frauen unsichtbar zu machen. Und was machen unsere Medien? Dasselbe. Sie zeigen seit Monaten dieselben bärtige Männer mit Kalaschnikows, vom Schicksal der Frauen in den besetzten Gebieten hört man kaum etwas.
Ich möchte mich auch sehr bei der Wien Holding für das großzügige Preisgeld bedanken. Viele Frauen im Journalismus arbeiten frei auf Zeilen- oder Minutenbasis, umso wichtiger ist es, dass so ein Preis auch mit Geld ausgestattet ist. Ich selbst bin in der glücklichen Lage, angestellt zu sein, und möchte daher einen Teil spenden.
Ein Teil des Preisgeldes geht an das Radioprojekt „Hello Ladies“ in Äthiopien. Es wird von der einzigen Rapperin Äthiopiens betrieben, die wir auf einer Reise vor genau fünf Jahren zufällig kennengelernt haben. Sie lebte damals quasi auf der Straße, hatte aber den großen Traum, eine call-in-Show für junge Mädchen und Frauen ins Radio zu bringen, in der weibliche Role Models auftreten und Hörerinnen ihre Fragen stellen können. Wir haben damals im Bekanntenkreis und auf Twitter gesammelt, um sie vom Kampf täglichen Überleben freizuspielen, und sie hat es geschafft: DJ Lee hat ihre Show nicht nur ins Radio, sondern auch ins Fernsehen gebracht. Die Radioshow wird selbst von jungen Äthiopierinnen gehört, die in arabischen Ländern als Dienstmädchen arbeiten, und macht einen echten Unterschied
Ein weiterer Teil des Preisgeldes soll an ein Frauenzentrum in Rojava gehen. Das ist jener Teil Syriens, in dem derzeit eine Armee, die zu einem großen Teil aus Frauen besteht, gegen den Terror der IS kämpft – jetzt gerade im Häuserkampf um Kobane. Die Organisation Leeza – Liga für Emanzipatorische Entwicklungszusammenarbeit – unterstützt dort eine bitter notwendige Anlaufstelle für die Frauen, die vor dem Bürgerkrieg und den IS-Terroristen fliehen und die ich mit einem Teil des Preisgeldes unterstützen möchte.
Schließlich möchte ich mit dem Preisgeld eine Reportagereise in die Türkei und in den Nordirak finanzieren, um genau die Lücke zu schließen: Die Frage, was mit den vielen geflohenen Frauen passiert – und um über die kurdischen Kämpferinnen der YPG zu berichten, die in allem das absolute Gegenstück zur Terrorgruppe IS darstellen. Solche Reportagereisen sind aufwändig, teuer und aus dem laufenden Redaktionsbetrieb kaum zu stemmen. Ich freue mich deshalb sehr über das Preisgeld, das ich dafür verwenden kann, die Reise gemeinsam mit dem Filmemacher zu unternehmen, dem ich bei solchen Dingen am meisten auf der Welt vertraue: Meinem Mann Emanuel Danesch, dem Menschen, mit dem ich am liebsten arbeite (und natürlich nicht nur das.). Wir waren schon auf vielen Reportage- und Recherchereisen und sind nicht nur da ein tolles Team. Ob die Reise bei den derzeitigen Bedingungen zustande kommt, werden wir noch sehen – aber der Preis ist jedenfalls ein Beitrag, der sie möglich machen kann.
Damit bin ich beim größten Dank angelangt. Ich werde ja – wie die meisten Frauen – sehr oft gefragt, wie das geht: So eine Position mit zwei Kindern, davon ein Baby. Die Antwort ist nicht „gute Organisation“. NIEMAND kann sich so gut organisieren, dass er allein Kinder und Beruf auf die Reihe bekommt. In meinem Fall ist die Antwort: Eltern, die mir in jeder Situation spontan zur Seite stehen. Eine große Tochter, die unglaublich selbständig ist und auf die ich sehr, sehr stolz bin. Und ein Partner, der echtes Halbe Halbe möglich macht und Kindererziehung und Haushalt nicht als Frauensache sieht, bei der man als Mann „mithilft“, sondern als seine Verantwortung genauso wie meine. Deine Hälfte ist momentan ein bisschen größer, und ich danke dir von Herzen für die Geduld und die Unterstützung.
Abschließend erlaube ich mir, jetzt mit 41 und nach 10 Jahren in dieser Branche jungen Journalistinnen noch einen Ratschlag mitzugeben. Es wird einem der Einstieg in diesen Beruf derzeit nicht leicht gemacht. Unter den düsteren Gerede von der sterbenden Branche und dem Medienwandels wird jungen Kolleginnen derzeit vorauseilender Gehorsam, Gefügsamkeit, ein dauerndes Schielen auf Anzeigenkunden und absoluter Einsatz bis zur Selbstverleugnung abverlangt.
Lasst euch auf dieses Spiel nicht ein. Guter Journalismus ist notwendiger denn je. Die Medien, das sind wir. Auf diese angstvolle Frage, welche Medien es denn in 10 Jahren noch geben werde, gibt es doch nur eine Antwort: Die, die WIR machen. Die, für die WIR Publikum und Finanzierung finden. Wir werden sie nur nach unseren Grundsätzen gestalten können, wenn da nicht Mäuschen, sondern selbstbewusste Frauen nachkommen.
Mein Rat lautet also: Arbeitet hart. Seid mutig. Bleibt unbeugsam und immer kritisch. Und wie man am mir sieht – Feministin zu sein ist auch kein Fehler.