Heute läuft für Griechenland die alles entscheidende Frist ab: Um 21.00 wird das Buch geöffnet und nachgesehen, wie viele Halter griechischer Staatsanleihen sich für den freiwilligen Schuldenschnitt angemeldet haben – und so real auf 75% des Wertes ihrer Anleihen verzichten. Der Andrang hält sich in Grenzen. Das Ziel, dass 90 Prozent der Anleihen freiwillig umgetauscht werden, ist in weiter Ferne. Alle Augen sind nun auf die großen Banken und Versicherungen gerichtet, und viele denken offenbar, dass die Pleite Griechenlands abgewendet wäre, wenn der Schuldenschnitt überhaupt zustande kommt.
Doch das ist falsch. Denn gerade, wenn sich mehr als die Hälfte der Schuldner meldet, ist Griechenland offiziell binnen Tagen partiell zahlungsunfähig. Mit allen Folgen, wegen denen dieser geordnete Bankrott seit nun mehr zwei Jahren und Dutzenden Milliarden Hilfsgeldern hinausgeschoben wird.
Die Änderung der Lage kam am 23. Februar. An diesem Tag beschloss das griechische Parlament, dass die Regierung alle Investoren zwingen kann, auf ihre Forderungen zu verzichten – ob sie wollen oder nicht. Die Bedingung dafür ist erfüllt: Die Hälfte der Investoren muss auf die Aufforderung zum Schuldenschnitt geantwortet haben – Mittwoch abend waren es bereits 58 Prozent. Von diesen müssen sich wiederum zwei Drittel dafür aussprechen, dass alle anderen auch zahlen. Dann ist die Freiwilligkeit dahin – die Regierung zwingt zum Schuldenschnitt. Klagen haben keinen Sinn, denn es handelt sich um ein Notstandsgesetz, unangreifbar durch EU-Recht.
Dieser Zwang heißt Collective Action Clauses (CACs) und bereitet der Eurozone seither Kopfzerbrechen: Die griechische Schuldenagentur hat am Dienstag in einer Aussendung klargemacht, dass sie den Zwangsmechanismus einsetzen wird. Und ein Land, das Investoren zum Verzicht zwingt, ist offiziell zahlungsunfähig.
Das hat Folgen: Denn hier kommt ein giftiges Finanzinstrument ins Spiel – die Credit Default Swaps oder CDS. Das sind Versicherungen, die von Banken ausgegeben wurden und bei einem Zahlungsausfall den Verlust ersetzen. Die Nutznießer sind einerseits Investoren, die ihre Anleihen mit CDS abgesichert haben und auf ihre Versicherungsleistung pochen. Andererseits auch Hedgefonds, die CDS gekauft haben, ohne Anleihen zu besitzen – als Wette auf die Pleite. Wie gefährlich CDS werden können, weiß man spätestens seit der Lehman-Pleite 2008, als der Zahlungsausfall einer einzigen Investmentbank wegen der losfeuernden CDS-Maschine eine globale Finanzkrise auslöste. Eine Griechenpleite hätte in etwa dasselbe Volumen an CDS wie damals Lehman – netto nur mehr 2,5 Milliarden Euro. Das ist nicht viel angesichts der Milliarden, die schon in die Bankenrettungen geflossen sind. Aber da niemand weiß, welche Dominosteine fallen werden, ist die Unsicherheit groß.
Ein schönes Beispiel für die möglichen Folgen findet sich in Österreich. Die notverstaatlichte Kommunalkredit hat gleich doppelt auf Griechenland gesetzt – und wird bei einem Zwangsumschuldung eine Milliarde Euro in den Sand setzen. Zu zahlen vom Steuerzahler. Die KA Finanz (Bad Bank der Kommunalkredit) und die Österreichische Volksbanken-AG haben sich am Donnerstag entschlossen, nun doch am Schuldenschnitt teilzunehmen. Die KA ist mit 455 Millionen Euro dabei, die ÖVAG mit 175 Millionen. Laut Generaldirektor Alois Steinbichler hofft die KA Finanz, dass heute noch eine Quote von über 90% der Gläubiger zustande kommt und die griechische Regierung keinen Zwang ausüben muss, doch das ist unwahrscheinlich. Damit hält die KA griechische Anleihen, die nächste Woche auf einen Schlag drei Viertel ihres Wertes verlieren. Und andererseits hat sie fette 500 Millionen CDS: Kreditausfallsversicherungen auf die griechische Pleite, die in dem Moment auszuzahlen sind, in der die Swaps- und Derivate-Vereinigung ISDA den Credit Event ausruft. Das tut sie, sobald der Zwangs-Schuldenschnitt kommt – vermutlich also nächste Woche. Mit Swaps und Nebenkosten beläuft sich dann der Gesamtschaden für die Kommunalkredit (und damit für den Steuerzahler) auf eine Milliarde Euro.
Schuld daran, dass die Kommunalkredit – eigentlich eine Bank, die Gemeinden finanzieren sollte – mithilfe einer Tochter in Zypern Milliarden verspekuliert hat, ist übrigens deren früheres Management unter Reinhard Platzer. Zur Erinnerung: Das ist jener, der nach der Notverstaatlichung 3,5 Millionen Euro Abfertigung forderte. Aber auch damit war er erfolglos.